Wo stehen wir heute?
CETA wurde auf dem EU-Kanada-Gipfel am 30. Oktober vom Europäischen Rat und dem kanadischen Premier Justin Trudeau unterzeichnet. Zusätzlich zu den über 1.500 Seiten Vertragstext wurden 38 Erklärungen und ein gemeinsames Auslegungsdokument beschlossen.
Jetzt ist das EU-Parlament an der Reihe. Durch massive Ansprache der Abgeordneten per Telefon, Twitter, Fax und E-Mail versuchen Menschen aus ganz Europa, die Mehrheit im Parlament für CETA zu kippen. Wenn dies nicht gelingt, soll CETA am 17. Februar 2017 in Teilen vorläufig in Kraft treten. Das Schiedsgerichtssystem und die undemokratischen CETA-Ausschüsse sind davon aber noch ausgenommen.
2017 beginnt die Ratifizierung in den einzelnen Staaten. 28 nationale und mindestens 14 weitere Parlamentskammern oder regionale Parlamente müssen grünes Licht für das Abkommen geben – das kann mehrere Jahre dauern. CETA muss in jedem EU-Land gemäß seiner Verfassung unterzeichnet werden. Scheitert in einem Land die Ratifizierung endgültig, kann der Vertrag rechtlich nicht in Kraft treten. Das ist unsere Chance.
Was können wir jetzt tun?
In mindestens vier Ländern haben wir nach meiner persönlichen Einschätzung gute juristische und politische Chancen, CETA zu stoppen:
1. Deutschland
CETA im Bundesrat stoppen
CETA muss eigentlich von Bundestag und Bundesrat mit einem Gesetz beschlossen werden. Nun ist die Frage, ob dieses Gesetz zustimmungspflichtig ist. Bei solchen Zustimmungsgesetzen ist eine Mehrheit aller Stimmen im Bundesrat (35 von 69) notwendig. Im Bundesrat stimmen nur die Landesregierungen ab. Grüne und Linke, die CETA überwiegend kritisch sehen, sind an 12 von 16 Landesregierungen beteiligt.
Wenn ein – auch wenn es der kleinere ist – Koalitionspartner einer Landesregierung gegenteiliger Meinung ist, kann das Land CETA nicht zustimmen. Dies führt dazu, dass dieses Land sich enthält. Damit kommt die notwendige Mehrheit nicht zustande und CETA wird im Bundesrat gestoppt. Um dies zu unterstützen, haben wir in drei Bundesländern Volksinitiativen (NRW, Schleswig-Holstein) und Volksbegehren (Bayern) gestartet.
Wenn im Februar 2017 unser Volksbegehren vom bayerischen Verfassungsgericht zugelassen wird, findet im Mai die zweiwöchige Eintragungszeit statt. Dann heißt es für uns: 960.000 Menschen zu motivieren, im Rathaus zu unterschreiben – eine Mammutaufgabe und gleichzeitig eine Riesenchance.
Rechtsgutachten zur Absicherung
Die Bundesregierung bekommt nun – zu Recht – Angst. Sie könnte versuchen, CETA zu einem „Einspruchsgesetz“ zu erklären – dadurch wird der Bundesrat ausgebremst. Er wird zwar gefragt, kann aber letztlich vom Bundestag (in dem die Bundesregierung die Mehrheit hat) überstimmt werden. Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen!
Um abzusichern, dass CETA auf jeden Fall die Zustimmung des Bundesrates benötigt, geben wir ein umfangreiches Rechtsgutachten auf den Weg, das wir Anfang nächsten Jahres veröffentlichen wollen. Sonst laufen unsere ganze Strategie und alle Volksinitiativen ins Leere.
Wenn sichergestellt ist, dass CETA durch den Bundesrat muss, entwickeln wir mit den Grünen und der Linken eine gemeinsame Strategie, wie die Länder im Bundesrat CETA zu Fall bringen.
Bundesverfassungsgericht hat noch nicht entschieden
Bisher hat das Gericht nur über unseren ersten Eilantrag entschieden. Das Gericht lehnte den Antrag, die vorläufige Anwendung auszusetzen, mit drei Auflagen ab. Die wichtigste davon ist, dass Deutschland von sich aus die vorläufige Anwendung von CETA beenden können muss. Das ist entscheidend. Die fatalen CETA-Schiedsgerichte hat das Verfassungsgericht noch gar nicht geprüft, die kommen erst im Hauptsacheverfahren dran. Da haben wir noch gute Chancen.
2. Niederlande
In den Niederlanden kann durch 300.000 Unterschriften ein Referendum über das Zustimmungsgesetz zum CETA-Vertrag erzwungen werden. Stimmt die Mehrheit mit „Nein“, können die Niederlande CETA nicht ratifizieren. Das Ergebnis ist zwar nicht rechtlich bindend, allerdings wird das Parlament – wie in Großbritannien beim Brexit – dem Bürgervotum folgen. Unsere Partnerorganisation in den Niederlanden braucht nächstes Jahr noch finanzielle Unterstützung, schon jetzt arbeiten wir inhaltlich und strategisch eng zusammen.
3. Belgien (Wallonie)
Belgien (unter dem Druck der Regionen Wallonie und Brüssel Hauptstadt) stimmte CETA im Rat nur zu, weil die EU-Kommission seine Forderungen in die Zusatzerklärungen mitaufgenommen hat. Die beiden wichtigsten Punkte: Belgien verpflichtet sich, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, um zu klären, ob die Schiedsgerichte mit europäischem Recht vereinbar sind. Und die Wallonie beabsichtigt, CETA nicht zuzustimmen, solange die Schiedsgerichte Teil des Vertrages sind.
4. Irland
In Irland haben Volksabstimmungen Tradition. Wenn Hoheitsrechte übertragen werden, sind sie sogar verpflichtend. Auf dieser Basis kann auch ein Referendum über CETA in Irland initiiert werden. Das konkrete Verfahren ist jedoch juristisch komplex und braucht eine Initialzündung, um auf den Weg gebracht zu werden – hier will Mehr Demokratie helfen.
Ich bin fest überzeugt: Wir können CETA tatsächlich stoppen! Und wir setzen alles daran, das zu schaffen.
Mit herzlichen Grüßen und den besten Wünschen für 2017 |