Eltern gegen Goliath — foodwatch

Hallo ,
Tony the Tiger besucht Cem Özdemir: Mit einer Protest-Aktion vor dem Ernährungsministerium zum Kinder-Überzuckerungstag [1] haben wir klargemacht:
Bei dem im Koalitionsvertrag versprochenen Gesetz gegen an Kinder gerichtetes Junkfood-Marketing muss sich endlich etwas tun! Mit Erfolg – Staatssekretärin Silvia Bender hat sich uns und den Fragen anwesender Journalist:innen gestellt und angekündigt: Es soll bald einen Gesetzesentwurf geben. Ihr Haus arbeite „mit Hochdruck daran, dass wir im Laufe dieses Jahres etwas vorlegen können“.

Wir werden am Thema dran bleiben und für eine wirksame Regelung kämpfen.

Aber nicht alle halten ein Gesetz gegen Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel für eine gute Idee. Als ich vom Ministerium zurückgekehrt, habe ich die vielen Rückmeldungen von foodwatch-Mitgliedern zum Überzuckerungstag gelesen. Eine Unterstützerin schreibt uns:  
  Ich bin Mutter von zwei Kindern im Kindergartenalter und Schulalter. Und ich bin weit entfernt davon zu sagen, dass immer alles einfach ist, im Gegenteil, täglich lernen wir dazu und machen neue Erfahrungen. Aber ganz klar ist es meine Entscheidung und Verantwortung, zum einen wie viel Fernsehen (und welches) meine Kinder schauen und welche und wie viele Süßigkeiten [sie essen]. – foodwatch-Unterstützerin  
  Vielleicht sehen Sie das genauso: Eltern sind für die Gesundheit ihrer Kinder verantwortlich. Ich finde: Sie haben Recht! Lesen Sie bitte weiter, wieso ich mich trotzdem für ein Gesetz gegen Junkfood-Werbung einsetze.

Aus meiner Sicht ist der Kampf der Eltern gegen die Lebensmittelindustrie der Kampf David gegen Goliath.

Es ist der Kampf von Eltern gegen mehr als eine Milliarde Werbe-Euro. Soviel hat die Süßwarenindustrie allein 2021 für Werbung ausgegeben. Mit diesen Unsummen haben Konzerne wie Ferrero und Nestlé vor allem junge Menschen im Visier. Denn egal, ob im Fernsehen, im Internet oder im Supermarkt: Junkfood-Marketing beeinflusst nachweislich sowohl die Vorlieben als auch die Mengen von Süßwaren, die ein Kind zu sich nimmt [2]. Und vielleicht können Eltern beim gemeinsamen Einkauf dem Gequengel ihrer Kinder noch widerstehen. Aber spätestens mit dem ersten Taschengeld geht ein Stück dieser Kontrolle verloren.

Leider bewirbt die Lebensmittelindustrie mit ihrem Kindermarketing fast ausschließlich Junkfood. Oder ist Ihnen schon mal eine bunte Comicfigur auf Brokkoli oder Vollkornbrot aufgefallen? Der Grund: Softdrinks, Chips oder Schokoriegel bringen deutlich höhere Profite als Mineralwasser, Obst oder Gemüse. Dieses einseitige Marketing der Lebensmittelindustrie trägt dazu bei, dass Kinder in Deutschland doppelt so viel Süßwaren, aber nicht halb so viel Obst und Gemüse essen wie empfohlen.

Wenn Sie, wie unsere Unterstützerin, den Kampf um gesunde Ernährung bei Ihren Kindern gewinnen, verdient das Anerkennung. Aber es kostet viel Kraft, auch das klingt in der Zuschrift an. Auch ich bin Mutter von zwei Kindern und ärgere mich immer wieder: Wieso darf die Lebensmittelindustrie unsere Bemühungen mit ihren raffinierten Marketing-Tricks andauernd torpedieren? Warum müssen wir ständig gegen die Verlockungen der Junkfood-Industrie ankämpfen?

Außerdem – die hohe Zahl übergewichtiger Kinder zeigt: In vielen Fällen verliert David leider gegen Goliath. Das hat verschiedene Gründe. Die Werbemilliarden sind aber sicher einer davon! Am Ende leiden die Kinder. Die überflüssigen Pfunde werden sie im Erwachsenenalter meist nicht mehr los. Spätestens dann sind die Folgen oft lebensbedrohlich: Jede/r vierte Erwachsene in Deutschland gilt als adipös. Etwa zehn Millionen sind an Typ 2-Diabetes erkrankt. Fehlernährung tötet hierzulande etwa genauso viele Menschen wie das Rauchen. Und dafür ist die Lebensmittelindustrie mitverantwortlich! Alles andere ist, als würde man die Tabakkonzerne von ihrer Mitverantwortung für Lungenkrebs freisprechen.

Fachleute aus Medizin und Wissenschaft sehen das übrigens genauso: Werbung für Ungesundes fördert Übergewicht und macht Kinder krank – mit langfristigen Folgen. Deshalb fordern medizinische Fachorganisationen, Krankenkassen und Ärzteverbände bis hin zur Weltgesundheitsorganisation schon seit Jahren ein Gesetz gegen Junkfood-Marketing. 

Fazit: Natürlich tragen Eltern Verantwortung für die Ernährung ihrer Kinder. Süßigkeiten und Snacks in Maßen sind völlig ok. Nicht ok ist es, wenn sich Konzerne gezielt auf Kosten der Kindergesundheit bereichern. Denn der Kampf um gesunde Kinderernährung ist keiner auf Augenhöhe. Genau wie viele Ärzt:innen und Expert:innen wollen wir Eltern deshalb den Rücken stärken. Es geht uns nicht um Bevormundung, sondern um Befreiung von manipulativer Werbung. Eltern sollen es leichter haben, ihre Kinder gesund zu ernähren. Und dabei nicht gegen Tony Tiger auf den zuckrigen Frühstücksflocken, SpongeBob auf der Cola oder gegen Junkfluencer in den sozialen Medien ankämpfen müssen.  

  Vielen Dank für Ihre Unterstützung!
Mit freundlichen Grüßen

Luise Molling, Kampagnen und Recherche  

P.S.: Sie wollen uns im Kampf gegen Goliath unterstützen? Wir arbeiten seit vielen Jahren am Thema Kindermarketing. Die Ankündigung zu einem Gesetz im Koalitionsvertrag war ein großer Schritt zu unserem Ziel. Aber für ein effektives Gesetz brauchen wir weiter Ihre Unterstützung. Denn nur wenn wir mit Aktionen, Recherchen und Medienrummel genug Aufmerksamkeit erzeugen, können wir der Süßwarenlobby trotzen. Werden Sie deshalb heute foodwatch-Fördermitglied! > Jetzt Mitglied werden!

  Quellen:

[1] rbb, „Protest gegen Junkfood-Werbung“, 12.08.2022: ht‍tps‍://‍ww‍w.rbb-onli‍ne.d‍e/abend‍schau/vid‍eos/20220812_‍1930/Kinder_
ue‍berzuckerung_ju‍nkfood_‍werbung‍.ht‍m‍l
[2] Jama Network, „Association of Food and Nonalcoholic Beverage Marketing With Children and Adolescents’ Eating Behaviors and Health“, 2.Mai 2022: h‍t‍tps‍:‍//‍jama‍net‍work.c‍om‍/journals/
jamap‍ediatrics/fullar‍ticle/‍2791859  
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