LobbyControl e.V. – Newsletter vom 10. Oktober 2016
Liebe S. Hanah ,
das Dickicht des Brüsseler Lobbydschungels ist legendär. Zwischen 15.000 und 30.000 Menschen tummeln sich hier auf wenigen Quadratkilometern, um die Arbeit der EU in ihrem Sinne zu beeinflussen. Wie gut, dass die EU-Kommission da in der vergangenen Woche ihren lang ersehnten Vorschlag für ein verpflichtendes Lobbyregister präsentierte. Demnach sollen professionelle Einflüsterer in Zukunft weder EU-Kommissar/-innen noch Abgeordnete oder bestimmte Ratsvertreter treffen können, wenn sie sich nicht ins EU-Transparenzregister eintragen. Aus unserer Sicht ein erster wichtiger Schritt!
Insgesamt ist der Kommissions-Vorschlag aber eine Enttäuschung. Denn statt endlich den Scheinwerfer anzumachen, will die Kommission den Lobbydschungel ganz offensichtlich nur mit der Taschenlampe ausleuchten.
So kann der Großteil der Beamten von Kommission und Ministerrat auch weiterhin unregistrierte Lobbyisten treffen. Dabei sind vor allem sie es, die die Gesetzte formulieren und dadurch für Lobbyisten als Zielscheibe interessant sind. Zudem definiert die Kommission den Begriff des Lobbyisten deutlich schwammiger als zuvor. Auch dies wird dazu führen, dass viele Lobbyakteure durchs Raster fallen und weiterhin im Dunkeln operieren können.
Unser Fazit: Angesichts der jüngsten umstrittenen Seitenwechsel von Ex-Kommisionspräsident Manuel Barroso (zur Investmentbank Goldman Sachs) und Ex-Digitalkommisarin Neelie Kroes (berät jetzt den Online-Fahrtenvermittler Uber und sitzt im Verwaltungsrat des Software-Anbieters Salesforce) sowie der zunehmenden EU-Verdrossenheit vieler Bürger sind entschiedenere Schritte in Richtung mehr Transparenz nötig. Die EU-Kommission muss nachlegen.
Was genau sie tun sollte, können Sie hier nachlesen.
Mehr aus der Welt des Lobbyismus finden Sie in unserem heutigen Newsletter.
Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Ihnen
Nina Katzemich, EU-Campaignerin
Weitere Themen
1) Unser Gesetzentwurf für ein Lobbyregister in Deutschland
Während das Brüsseler Lobbyregister alles andere als zufriedenstellend ist (siehe oben), gibt es dort immerhin eines. Davon sind wir hier in Deutschland noch weit entfernt. Um die Diskussion auch in Berlin voranzubringen und zu zeigen, wie ein verpflichtendes Lobbyregister rechtlich ausgestaltet sein kann, haben wir gemeinsam mit der Plattform abgeordnetenwatch.de einen Gesetzentwurf dazu entwickelt. Wir haben ihn unter lobbyregister.org veröffentlicht und um öffentliches Feedback gebeten – mit reger Beteiligung: Bis heute sind knapp 400 Kommentare eingegangen. Das freut uns und zeigt das Interesse vieler Menschen. Ende Oktober werden wir alle bis dahin eingegangenen Rückmeldungen auswerten und den Entwurf entsprechend überarbeiten. Im nächsten Schritt werden wir den Entwurf den Fraktionen im Bundestag vorstellen.
Den Gesetzentwurf können Sie hier einsehen und kommentieren.
2) Lobbyismus im Klassenzimmer: Bundestag greift unser Thema auf
Sie liefern kostenloses Lehrmaterial, unterstützen Schülerwettbewerbe oder schicken Experten in den Unterricht: Längst haben Unternehmen das Klassenzimmer als Ort für PR-Aktivitäten und Lobbyismus entdeckt. Seit Jahren machen wir von LobbyControl auf diese mal mehr, mal weniger verdeckte Meinungsmache von Konzernen aufmerksam. Nun hat der Bundestag erstmals in seiner Geschichte auf Antrag der Linksfraktion über das Thema diskutiert.
Mehr dazu hier…
3) Erbschaftssteuer: Wer sind die Lobbyisten der Reichen?
Der Vermittlungsausschuss hat sich auf einen Kompromiss zur Erbschaftssteuer geeinigt. Demnach wird es auch in Zukunft erhebliche Steuervergünstigungen für Firmenerben geben. Dafür hatte vor allem die Stiftung Familienunternehmen die Werbetrommel gerührt. Doch unsere Recherchen zeigen: Hinter der Stiftung stehen nicht die kleinen Familienbetriebe, sondern vor allem reiche und superreiche Unternehmerfamilien.
Mehr dazu hier…
|